29. September 2015

29. September 2015

DAS ANGEBLICH PFLEGELEICHTESTE UND UNKOMPLIZIERTESTE HAUSTIER – ODER: DAS WAHRE LEBEN ALS KATZENPERSONAL

 

Schon als Kind träumen viele davon einmal Katzenpersonal zu werden. Nicht wenige verwirklichen ihren Traum und machen richtig Karriere. ;)  Wirft man einen Blick in die „Stellenanzeigen“ ist dies nicht verwunderlich, handelt es sich doch um eine(n) abwechslungsreiche(n) und    spannende(n) Beruf(ung) in Festanstellung, mit viel Verantwortung und ständig neuen Herausforderungen UND der wohl besten Entlohnung der Welt. :)

 

Das Berufsbild hat sich in den letzten Jahrzehnten allerdings enorm gewandelt. In der Vergangenheit waren die Dienstherren meist Freigänger und das Katzenpersonal hatte vorwiegend Aufgaben als Dosen- und Türöffner sowie Reinigungsfachkraft und Fellstreichler. Heute, sind die Herrschaften jedoch überwiegend Stubenhocker, was völlig neue Anforderungen an das Katzenpersonal stellt. Empathie, Flexibilität, Anpassungsvermögen, Innovation, Lernbereitschaft, die Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen die Geduld zu bewahren, sind heute nahezu un-    verzichtbare Eigenschaften. Schließlich ist das heutige Katzenpersonal auch Ernährungsberater, Sicherheitsbeauftragter, Innenraumausstatter, Fitnesstrainer, Entertainer, Pflegefachkraft, ja, gewissermaßen sogar Hellseher und noch viel mehr.

 

Aber wie wird man eigentlich Katzenpersonal? Nun ja, da gibt es so unterschiedliche wie zahl- reiche Einstiegsmöglichkeiten. Die Einen wachsen in Katzenhaushalten auf und treten in die Fußstapfen ihrer Eltern. Andere wiederrum sind Quereinsteiger mit den unterschiedlichsten Beweggründen. Einer bekommt ganz unerwartet ein Stellenangebot, ein anderer denkt schon lange darüber nach und setzt sich intensiv mit diesem Schritt auseinander. Plötzlich ist da vielleicht auf Facebook ein Beitrag über eine tragende Katze, die in der Urlaubszeit auf einem Parkplatz ausgesetzt wurde und nun mit ihren Babys im Tierheim auf ein neues Zuhause hofft. Oder die Katze in der Nachbarschaft, die Junge erwartet, weil sie (so wird zumindest erzählt) kurz vor dem Kastrationstermin noch ausgebüxt ist und Bekanntschaft mit dem Casanova vom nächstgelegenen Bauernhof machte. Qualifiziertes Katzenpersonal wird immer und überall dringend gesucht - nicht nur für kleine Katzen! Aber da fühlt man sich dann doch regelrecht berufen! ;)

 

Sind die Kitten ca. 8 Wochen alt, findet das erste Vorstellungsgespräch statt. Sie sind noch ganz tapsig und neugierig, spielen und raufen mit ihren Geschwistern, auf alles was sich bewegt, wird bereits Jagd gemacht, hin und wieder stolpern sie noch über ihre eigenen kleinen Pfoten, vorsichtig wird am Bewerber geschnüffelt und mit einem Satz springen sie wieder weg. Und da ist sie dann auf einmal - DIE Eine, die immer wieder zu einem herkommt, sich an einen drückt,  einen mit ihren winzigen Kulleraugen anhimmelt, damit man sie hoch nimmt und sie sich in der Armbeuge genüsslich einrollt. Und dann noch ihr Brüderchen, welcher auch nicht mehr von einem ablässt, es sich auf der Schulter bequem macht und einem vorsichtig ans Ohr stupst. Genau genommen ist das der „Einstellungstest“, aber an dieser Stelle hat sich der Bewerber aus seiner Sicht doch schon für genau diese beiden süßen Knuddel entschieden. Und so hat man dann ganz schnell eine Anstellung als Katzenpersonal.

 

Ungeduldig, voller Vorfreude, beginnt man gewissenhaft und mit viel Liebe, alles für den bevorstehenden Einzug der zwei kleinen Kätzchen vorzubereiten. Der Kratzbaum bekommt einen     besonders schönen und vor allem zentralen Platz in der Wohnung, mehrere Kuschel- und Liegeplätze werden mit Kissen ausgestattet, für die Katzenklos werden unauffällige, dennoch leicht zugängliche Örtchen gesucht, für die Näpfe ist schnell eine geeignete Stelle in der Küche ge- funden, der Balkon wird in weiser Voraussicht mit einem Netz gesichert und Katzenstreu, Futter, Leckerlies, Spielzeugmaus und Co. dürfen natürlich auch nicht fehlen. Wie die Samtpfötchen  heißen sollen, ist spätestens seit dem dritten Besuch in der Kinderstube schon klar. Die Beiden lauern einander auf, raufen sich, liegen dennoch innig und vertraut zusammen, also nennen wir sie doch einfach Merlin und Mim.

 

Nach ca. weiteren 6 Wochen ist es dann endlich soweit, die Minitiger dürfen umziehen. Auf der Fahrt nach Hause weiß man dann schon mal, woher der Begriff Katzenjammer kommt. Aufgeregt, verängstigt sitzen sie in der Transportbox und schreien lauthals nach ihrer Mama und ihren Geschwistern, was allerdings abrupt endet, wenn man die Wohnung betritt. Vorsichtig stecken sie ihre Nasen aus der Box und wagen die ersten unsicheren Schritte in ihr neues Reich. Mim versteckt sich sogleich unter dem Bett und ist von dort erst mal nicht mehr vor zu locken. Merlin begibt sich dagegen gleich auf Entdeckungstour und begutachtet scheinbar systematisch Stück für Stück die ganze Wohnung. Seine Hausangestellten sind ganz entzückt und folgen ihm zurückhaltend auf Schritt und Tritt. Die Toilette und der Kratzbaum werden sofort zu seinem      Eigentum erklärt, offensichtlich gefällt ihm, was er so vorfindet.

 

Mitten in der Nacht schreckt man dann aus dem Schlaf. Was ist das? Lautes Bollern und Knallen. Mit einem Satz aus dem Bett, Licht an und schon ist der Grund für die nächtliche Ruhestörung gefunden. Mim hat sich aus ihrem Versteck getraut, findet Gefallen an der Kugel aus der Tischdekoration, schussert und jagd sie, immer wieder gegen Türen und Schränke knallend durch die Gegend. Alternativ versucht man ihr die Stoffmaus schmackhaft zu machen und torkelt schließlich zurück ins Bett mit dem Gedanken: „Merke, keine als Spielzeug geeignete Deko mehr in   Katzenreichweite“. Eine halbe Stunde später wird man von einem lauten, unregelmäßigem Klopfgeräusch geweckt. Also wieder aufstehen, Licht an und da steht er, der Karton, der eigentlich in den Keller sollte. Mim sitzt innen, Merlin außen und bei dem Versuch, sich gegenseitig Pfoten- hiebe zu verpassen, schlagen sie ständig gegen die Kartonwand. Also Karton weggeräumt und zurück ins Bett mit dem Gedanken: „Merke, Kartons vor dem Schlafengehen unzugänglich      machen“. So geht das die ganze Nacht, immer wieder finden sie eine neue Beschäftigung, Nachtruhe kennen sie nicht.

 

Der Wecker klingelt, ansonsten ist nichts zu hören… und auch kein Fellpopo zu sehen. Man schaut in jedes Zimmer, aber weit und breit keine Mim und kein Merlin. Wer da noch nicht hellwach ist, wird es spätestens, wenn es auf der Suche nach ihnen auf einmal nass und kalt am Fuß wird. Die Vase auf dem Küchentisch hat die Nacht nicht überlebt, eine Wasserlache und an die tausend Scherben verteilt im ganzen Raum. Erster Gedanke: „Das Klirren war also kein Traum“ - gleich danach: „Merke, keine leicht umfallende Vase mehr auf den Tisch stellen“ – und dann trifft es einen wie ein Blitz: „Oje, hoffentlich ist den beiden kleinen Rackern nichts       passiert!“ – und während man dann die Leckerliedose schüttelnd und ihre Namen rufend alle    erdenklichen, selbst die unmöglichsten Ecken und Winkel absucht, schießen einem zahlreiche Szenarien durch den Kopf, von einer kleinen Scherbe in der Pfote, über Scherbe im Auge bis hin zu einem aufgeschlitzten Bauch, kann man sich gerade alles vorstellen. Deshalb plant man     sogleich das weitere Vorgehen: „Wo steht die Transportbox? Wo war nochmal der nächste Tierarzt?“ – in diesem Moment fällt einem auf, dass die frischgewaschene Wäsche im Korb nicht mehr so ordentlich zusammengelegt ist, wie sie es gestern noch war, außerdem bewegt sie sich und schon kommt zwischen den Falten eine Pfote hervor. Bereits etwas beruhigter räumt man die obenliegende Wäsche zur Seite und da liegen sie, Mim und Merlin, eng zusammengerollt, verschlafen blinzelnd heben sie die Köpfe und beginnen genüsslich zu Gähnen und sich zu strecken, nicht die leiseste Ahnung davon, welche Sorgen sich ihre Bediensteten gerade noch gemacht haben. Über sich selbst lachend, trägt man die Unschuldsengel schmusend in die Küche, wo sich sogleich das Malheur wieder in Erinnerung ruft, was man nun aber erleichtert und mit einem Schmunzeln beseitigt.

 

Den Kaffee hat man sich dann wirklich verdient. In aller Ruhe füllt man das Kaffeepulver in den Filter, zählt die Löffel und wie aus dem Nichts sticht und pickst es am Bein, reflexartig zuckt man zusammen, schleudert das Kaffeepulver quer durch die Küche und schaut nach unten, erblickt Merlin, wie er sich am Bein mit ausgefahrenen Krallen emporstreckt und vorwurfsvoll zu einem hoch maunzt, als wolle er sagen: „Wo bleibt denn unser Frühstück?“. Mim sitzt daneben, den Rücken durchgestreckt, schaut sie ebenfalls hoch, allerdings mit schiefgelegtem Kopf und mitleidserregendem Blick ala „Wir haben doch sooo großen Hunger!“ Da meldet sich auch schon das schlechte Gewissen, man beeilt sich, die Näpfe zu füllen und beschließt, es sich anzugewöhnen, die – jeder Jagdmöglichkeit beraubten - Stubentiger künftig noch vor einem selbst zu versorgen. Nachdem man das Kaffeepulver zusammengekehrt hat, ist dann aber endlich Zeit für eine Tasse Kaffee. :)

 

Das Leben wird nun so schnell nicht mehr langweilig. Man wird noch viele Überraschungen      erleben, über das durch die ganze Wohnung aufgerollte Klopapier wird man schmunzeln, ebenso, wenn sich ein Fellknäul quer über die Tastatur legt, sich beim Lesen unter dem Buch durchschiebt oder sie einen am Morgen mit minutenlangem auf dem Bauch Trampeln und zaghaften Nasenstupsern wecken. Bei der zum wiederholten Male aus dem Blumentopf gescharrten Erde wird man aber auch mal tief durchatmen, wie auch wenn man morgens barfuß in Erbrochenes tritt. Die Gewohnheiten werden sich enorm verändern. So gewöhnt man es sich ab, Essen offen und unbewacht stehen zu lassen, andererseits gewöhnt man sich an den alltäglichen Kampf gegen die sich aber auch wirklich überall festsetzenden Katzenhaare. Zudem wird man den einen oder anderen Plan einfach verwerfen. Die Schlafzimmertür wird bald offen bleiben und die Fell- popos werden sehr wohl mit im Bett schlafen, sie haben mit dem allnächtlichen Jammern und Scharren an der Tür einfach die besseren Argumente und vor allem dabei mehr Durchhaltever- mögen als man selbst. ;)

 

Über diese oder ähnliche, aber vor allem über noch unzählige schöne Erfahrungen mehr, könnte wohl jeder Katzenmitbewohner ein Buch schreiben. Und viele, gerade Katzenhasser können nicht verstehen, dass all diese Erlebnisse, ja, sogar die Unschönen, für Katzenliebhaber eine unglaub- liche Bereicherung sind. Zugegeben, auf das Eine oder Andere könnte man vielleicht schon verzichten… ;)

 

Letztendlich hat aber jede Katze wie auch jeder Mensch seine eigene Persönlichkeit und jede Katzen-Mensch-Beziehung ist absolut einzigartig. „Beziehung“ trifft es tatsächlich auf den Punkt. Im Grunde ist es doch wie in einer Menschen-Beziehung. Bei beiden gibt es kein Patent-rezept für eine glückliche Beziehung bis ans Lebensende. Aber es gibt sie, sogar häufiger, als mancher noch glauben mag. Und alle haben sie - abgesehen von individuellen Zutaten – doch  irgendwie das gleiche Grundrezept.

 

Soll die Beziehung nicht an dem nach der Verliebtheitsphase einkehrenden Alltag oder in   schweren Zeiten scheitern, muss man sie pflegen, an ihr arbeiten. Wenn sich Zwei wirklich     lieben, lieben sie den jeweils anderen, so wie er ist, mit all seinen Macken, respektieren und  achten sich, kennen einander in und auswendig, hören dennoch nie auf, sich immer wieder neu kennenzulernen, sie verstehen sich ohne ein Wort, nehmen die Bedürfnisse des anderen ernst, sorgen füreinander, sie wollen den anderen einfach glücklich machen und obwohl sie die Nähe so sehr genießen, lassen sie einander Freiheiten. Denn auch, wenn sie zusammen die perfekte Einheit bilden, ein Herz und eine Seele sind, bleiben sie zwei individuelle Persönlichkeiten, die mit  ihren Ecken und Kanten einfach zusammenpassen. Und wenn Ecken und Kanten mal einander geraten, es Probleme gibt, schleifen sie solange, bis alles wieder passt.

 

Und wenn die geliebte Katze auf einmal an Wänden und Möbeln kratzt, die Wohnung verwüstet, ihr Geschäft lieber in irgendeiner Ecke verrichtet, statt auf den Katzenklo, darf man nicht vergessen, dass Katzen, wie wir Menschen doch immer einen Grund für ihr Verhalten haben. Jeder hat eben seine eigene Art, zu zeigen (oder nicht zu zeigen), wenn es ihm schlecht geht, ihn Schmerzen plagen, etwas Angst einjagt, stresst oder ihm einfach etwas nicht gefällt.

 

Auffälliges Verhalten kann durchaus krankheitsbedingt sein, dies sollte man auf jeden Fall tierärztlich abklären lassen. Können aber gesundheitliche Beschwerden ausgeschlossen werden, ist jenes Verhalten wohl psychischer Natur. Iin beiden Fällen, empfiehlt es sich, viel Geduld zu    haben. Es kann sehr lange dauern, viele Lösungsansätze werden womöglich ins Leere laufen und es kann einem den letzten Nerv kosten, bis man die Ursache und eine Lösung findet. Nicht    selten ist es dann einfacher, als man geglaubt hat und es mag manchmal eine „Kleinigkeit“ sein, ganz typisch: „Da hätte ich echt früher draufkommen können“. Es fallen einem Dinge ein, mit  denen einem der Stubentiger, noch weniger drastisch, vermutlich schon auf etwas aufmerksam machen wollte. Nicht nur deshalb ist es wertvoll, sich auf seine Katze einzulassen, sich mit ihr, ihrem Wesen, ihrer Natur zu beschäftigen und sie zu verstehen. Eine Katze ist eben einfach mehr als nur ein Haustier. ;)

 

Deshalb widmen wir ihr auch unseren nächsten Beitrag:

„Das mystische und rätselhafte Katzenwesen – oder: Hilfe! Meine Katze spinnt.“

 

<= zurück